Silvester werden wir wieder mit Alex und Mila feiern. Mit den Nachbarn ins neue Jahr zu rutschen ist eine schöne Tradition und überdies sehr praktisch: Alle können alkoholhaltige Getränke in ausreichender Menge konsumieren, weil der Rückweg überaus überschaubar ist. Das heißt: Alle KÖNNTEN Alkohol trinken, wenn da nicht Alex’ gute Vorsätze wären.
Mit denen ist es ja so: Die Bilanz am Jahresende führt bei Menschen, die nicht Mahatma Gandhi oder Greta Thunberg sind, regelmäßig zu einem bestürzenden Bild biografischer Minderleistung – zu viel Pommes, zu viel SUV, zu wenig Sport. Bei Alex lautet der Befund: zu viel Wein. Weshalb er, regelmäßig gegen 23 Uhr in der Silvesternacht, mit theatralischer Geste sein Glas auffüllt und lauthals verkündet: „Mein letztes Glas. Ab Mitternacht trinke ich drei Monate lang keinen Tropfen mehr!“
Das alleine wäre noch halbwegs zu verschmerzen, doch Alex ist ganz klar der missionarische Typ. Mit mangels Alkohol zunehmend missmutiger Laune fragt er uns: „Und, was nimmst du dir für das neue Jahr vor? Ich muss ja sagen, nach diesen alkoholfreien Monaten fühle ich mich wie neugeboren.“ Was erstaunlich ist, denn die „Monate“ sind meist nur zwei Wochen, nach denen der liebe Alex wieder in den alten Trott verfällt. Das klingt nach schwachem Charakter, doch die Wahrheit ist die: Alex hat den Weg zum Glück gefunden.
Vorsätze sind auch nicht mehr das, was sie mal waren
Seien wir ehrlich: Erwachsen zu sein heißt Regeln zu befolgen. Miete zahlen, Maske tragen, Auto zum TÜV bringen. Deshalb verschafft es uns tiefste Befriedigung, einmal eine Regel zu brechen – und sei es nur eine, die wir selbst an Silvester aufgestellt haben.
Deshalb werden wir Alex ab jetzt nicht mehr anmotzen, wenn er nach unseren Vorsätzen fragt. Stattdessen präsentieren wir ihm drei blitzsaubere Neujahrsversprechen an uns selbst: Mila will Vegetarierin werden, meine Frau weniger Zeit in den sozialen Medien verbringen, ich werde mehr Sport treiben. Und Alex wird große Augen machen.
Klar, die ersten zwei Januarwochen werden hart. Aber dann. Ich sehe es schon vor mir: Alex mit blutrot funkelndem Bordeaux, Mila mit einem tellergroßen Steak, meine Frau völlig versunken in ihr Smartphone und ich auf einem extragroßen Sofakissen lümmelnd. Wir werden glucksen vor Glück, wie ein Kind, das heimlich Kekse stibitzt. Wenn das kein guter Vorsatz fürs neue Jahr ist.
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