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    Auf die Zukunft!

    Als Wochenendhaus oder für immer: Immer mehr Menschen interessieren sich für Tiny Houses – und damit für ein visionäres Wohnmodell. Haben auch Sie Lust, sich zu verkleinern? Was ein Tiny House im Schnitt kostet und worauf Sie bei Planung und Bau achten müssen, erklären zwei Experten.

    Aurele Haupt
    Der Ingenieur
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    Aurèle Haupt ist Ingenieur für energieeffizientes und nachhaltiges Bauen, fachplaner für TGA (technische Gebäudeausrüstung) und Gründungsmitglied von "Wir bauen Zukunft". Seit 2016 arbeitet der mit Ralf Müller für das "RaumKollektiv" an der Konzeptionierung einer Tiny House-Forschungssiedlung auf dem Projektpark von "Wir bauen Zukunft".

    Ralf Müller
    Der Architekt
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    Ralf Müller ist Architekt und Gebäudeenergieberater für Wohn- und Nichtwohngebäude. Er wirkte als genehmigungs- und bauleitender Architekt des ersten Earthships als Versorgungsgebäude und von Tiny Houses als mobile Wohneinheiten in Deutschland mit. Darüber hinaus ist er Gründungsmitglied von "Wir bauen Zukunft" und im Vorstand der gleichnamigen Genossenschaft.

    Sich mit wenig zufriedengeben und dadurch sogar noch erfüllter leben, in der Großstadt bezahlbare eigene vier Wände haben und trotzdem mehr als zuvor in Netzwerken denken, Ressourcen teilen und die Natur wertschätzen: Die Vertreter des Tiny House-Movements sind überzeugt, dass in den winzigen Häusern die Zukunft des Wohnens liegt. Wie genau eine solche Zukunft aussehen könnte, erforschen Ralf Müller und Aurèle Haupt. Sie sind Teil einer Gemeinschaft, die sich dem nachhaltigen Bauen, bedarfsorientierter Innovation und sozialem Unternehmertum verschrieben hat. In einem ehemaligen botanischen Garten am Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern setzen sie mit alternativen Wohnmodellen Visionen in die Praxis um. Ganz konkret arbeiten Ralf Müller und Aurèle Haupt seit 2016 für das „RaumKollektiv“ an der Konzeptionierung einer Tiny House-Forschungssiedlung. Daneben veranstalten sie für Interessierte Seminare rund um Tiny Houses. Denn so viele in Deutschland inzwischen auch von einem Leben auf kleinster Fläche träumen: Für Planung und Bau braucht es nicht nur Leidenschaft, sondern auch Knowhow – und nicht zuletzt Realismus.

    Um herauszufinden, ob ein Tiny House überhaupt das Richtige für einen ist, empfiehlt Ralf Müller deshalb, sich noch vor Bau und Planung die folgenden Fragen zu stellen: 1.) Wie viel Raum benötige ich wirklich zum Leben? 2.) Möchte ich meinen Flächenverbrauch reduzieren indem ich einen kleinen Raum privat nutze und gegebenenfalls einen zusätzlichen Raum gemeinschaftlich teile? 3.) Möchte ich durch weniger beheizte Fläche meine Heizenergie reduzieren? 4.) Ist ein geringerer Ressourcenverbrauch beim Bau für mich wichtig? 5.) Möchte ich mit weniger Flächenversiegelung zu einer Reduzierung des menschlichen Fußabdruckes beitragen? 6.) Spielen geringe Baukosten und geringe Betriebskosten für mich eine wesentliche Rolle? „Wenn ich alle Fragen mit Ja beantworten kann, ist mit einem Tiny House die Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung durch geringeren Aufwand möglich“, so der Experte.

    Als nächstes geht es laut Aurèle Haupt dann darum, sich über die individuellen Bedürfnisse in Hinblick auf das Wunschhaus klar zu werden. Fragen wie „Möchte ich in meinem Tiny House schlafen, wohnen, arbeiten, baden und kochen oder kann ich zusätzlich externe Infrastruktur wie zum Beispiel Sanitäranlagen und Küchen nutzen?“ oder „Strebe ich eine Autarkie mit Wasser-, Wärme und Elektrizität an?“ helfen dabei, das richtige Modell zu finden. Haupts Erfahrung nach wird jedoch gerade einer ordnungsgemäßen Planung häufig zu wenig Wert beigemessen. „Recherchearbeiten zu Materialien und deren Eigenschaften und Herkunft, zum Baurecht sowie eine gute Entwurfsplanung werden oft nicht mitberücksichtigt“, so Aurèle Haupt. Dabei könne man mit einer guten Planung viele Fehler vermeiden, die Baukosten senken und eine Menge Zeit während der Bauphase sparen.

    Inside tiny house Artikelbild
    Leben und arbeiten im Tiny House

    Das Wichtigste für Planung & Bau
    „Ich sollte mir im Klaren sein, dass ein Tiny House nicht die Möglichkeit ist, ohne bau- und straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen ein Haus zu bauen“, sagt Ralf Müller. „Für welche Nutzung ist das spätere Tiny House gedacht? Ist es zum dauerhaften Wohnen, nur als Ferienhaus oder als Zweitwohnung geplant? Je nachdem, wie die Antwort lautet, muss ich unterschiedliche baurechtliche Bestimmungen einhalten.“ Sinnvoll sei es auf jeden Fall, eine Bauvoranfrage bei der unteren Bauaufsichtsbehörde zu stellen, bevor man ein bebaubares Grundstück erwirbt. „Diese Voranfrage ist prinzipiell kostengünstiger als ein Bauantrag“, so der Experte. „Wenn ich keinen festen Wohnsitz zur Anmeldung benötige, könnte es auch eine Möglichkeit sein, einen Stellplatz auf einem Campingplatz zu mieten.“

    Wenn detaillierte Bauplänen und Bauanweisungen zum Haus vorliegen, können Tiny Houses Ralf Müllers Einschätzung nach von praktisch veranlagten, handwerklich geschickten Laien gebaut werden. „Eine fundierte Einarbeitung in das Thema mit Kenntnis der Vor- und Nachteile bestimmter Baumaterialien sowie der hierzulande geltenden Vorschriften ist jedoch Voraussetzung.“ Viele im Netz kursierende Baupläne, die neben dem Grundriss für das Haus Anleitung für Einbauten oder sogar Strom- und Wasserversorgung liefern, stammen aus dem Ausland. „Sie müssen gegebenenfalls an hiesige Bauvorschriften angepasst werden. Ziehen Sie im Zweifelsfall einfach einen versierten Zimmermeister oder Architekten zu Rate“, rät er.

    Der Kostenpunkt
    „Die reinen Materialkosten belaufen sich für ein Tiny House auf etwa 700-1.200 € pro Quadratmeter“, so Aurèle Haupt. „Bei einem 18 qm großen THoW (Tiny House on Wheels) mit 12 cm Holzweichfaserdämmung und Lärchenschalung sind dies somit rund 14.000-20.000 €, je nach Ansprüchen an Materialien und Gebäudetechnik wie Heizung und Stromversorgung.“ Nicht zu vernachlässigen seien die drei bis vier Monate Arbeitszeit, die man als Wert in das eigene Tiny House gebe. Entscheidet man sich hingegen dafür, das Minihaus von einem Handwerker oder durch eine Baufirma bauen zu lassen, „kann man zwischen 1.600 und 2.900 €/qm ansetzen“. Bei einem Haus von 18 qm ergibt sich also ein Wert zwischen rund 30.000 und 50.000 €.

    Die häufigsten Fehler
    „Ist man selbst ein guter Heimwerker, aber kein Handwerker, muss man sich in die entsprechenden Fachgebiete oder Details – wie zum Beispiel Fenster- oder Türanschlüsse – einarbeiten“, so Aurèle Haupt. Für eine realistische Zeitplanung empfiehlt er deshalb, die eingeplante Zeit zu verdoppeln. Häufig würden auch die Kosten unterschätzt. „Möchte man zum Beispiel einen alten Bauwagen restaurieren und zu einem Tiny House umbauen, muss man sehr genau darauf achten, was man kauft.“ Oft seien diese Bauwägen in einem nicht mehr sanierungswerten Zustand, da versteckte Feuchtigkeitsschäden lauern könnten und früher zudem hochgiftige und krebserregende Holzschutzmittel wie Lindan/PCP verwendet worden seien. „Hier hilft oft nur eine fachgerechte Entsorgung und ein Neuaufbau.“

    Bilder: stocksy, laif

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