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    Digitale Einsteiger: Wie viel Handyzeit ist gut für mein Kind?

    Viele Eltern tun sich schwer damit, zu entscheiden, ab wann ihr Kind ein eigenes Handy bekommen soll. Noch wichtiger ist die Frage: Wie lernt mein Kind einen moderaten Umgang mit Handy und Smartphone, ohne ein exzessives Verhalten zu entwickeln? hallonachbar.de klärt mit Mario Mohrmann, Jugendschutzbeauftragter beim Amt für Jugend und Familie der Stadt Oldenburg, die wichtigsten Fragen.

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    Mario Mohrmann Der Jugendschutzbeauftragte
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    Mario Mohrmann ist 53 Jahre alt una arbeitet beim Amt für Jugend und Familie der Stadt Oldenburg als Jugenschutzbeauftragter. Er ist spezialisiert auf das Thema Prävention in den Bereichen digitale Kommunikation und digitale Medien. Er hält regelmäßig Vorträge an Schulen oder berät bei Elternabenden. 

    Herr Mohrmann, starten wir mit der wichtigsten Frage, die sich alle Eltern stellen: Ab welchem Alter sollten Kinder frühestens ein eigenes Handy bekommen?

    Mario Mohrmann: Das ist tatsächlich die am häufigsten gestellte Frage. 2008 hieß es noch: Soll mein Kind überhaupt ein Handy bekommen? Heute geht es nicht mehr um das „ob“, sondern um den richtigen Zeitpunkt. Meine Standartantwort lautet: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich Ihr Kind nicht kenne. Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, trotzdem gibt es Richtlinien. In der Grundschule sollte man noch abwarten, erst ab der weiterführenden Schule ab Klasse 5/6 wird ein Handy wichtig. Grundsätzlich muss man sich fragen: Wie weit ist mein Kind? Hat es überhaupt schon Kontakt mit Smartphones gehabt?

    Ist denn ein Smartphone zum Start geeignet?

    Muss nicht sein. Man kann auch ausprobieren, ob man seinem Kind nicht zunächst ein Tastenhandy gibt. Die meisten Eltern haben den Wunsch, dass ihre Kinder erreichbar sind oder sich melden können, wenn es die Situation erfordert. Der Nachwuchs kann „beweisen“, dass es den moderaten Umgang mit dem Handy beherrscht und sich so für ein Smartphone zu einem späteren Zeitpunkt empfehlen.

    Viele Kinder lernen bereits im Kindergartenalter mit den Geräten ihrer Eltern spielerisch umzugehen. Sehen Sie das positiv oder eher kritisch?

    Smartphones stellen für kleine Kinder eigentlich eine Überforderung dar, oft werden sie damit ruhiggestellt. Dabei gibt es auch die umgekehrte Situation, etwa auf dem Spielplatz: Kinder spielen, Eltern schauen auf ihre Smartphones. Damit vermitteln Erwachsene ihren Kindern bereits das Gefühl, wie wichtig dieses Gerät ist. Man kann das mal machen, dafür gibt es auch gute Apps, aber Smartphones sind kein Babysitter.

    Viele Eltern tun sich schwer damit, ihre Kinder behutsam an das Thema Handynutzung heranzuführen. Welche Tipps haben Sie?

    Insbesondere Eltern, die diese Dinge selbst als Kinder nicht gelernt haben, haben ein grundsätzliches Problem. Was passiert bei TikTok? Wie funktioniert WhatsApp? Schwimmen lernen oder Verkehrserziehung kennen Eltern aus ihrer eigenen Kindheit und können das problemlos abrufen. Eine Idee wäre, ein Familien-Smartphone anzuschaffen, das sich alle Familienmitglieder teilen. Viele Eltern wollen kontrollieren, was ihre Kinder mit ihrem Handy machen, aber Kontrolle ist immer ein heikles Thema. Ein eigenes Smartphone ist wie ein Tagebuch, wo nicht jeder reinschauen soll. Mit dem Familien-Modell begleiten Eltern ihre Kinder ein Stück weit beim Umgang – und geben ihnen ein eigenes Gerät, wenn sie das Gefühl haben, dass der Zeitpunkt gekommen ist. Außerdem können sich Erwachsene und Kinder mit einem Familien-Handy gegenseitig etwas zeigen und beibringen.

    In der Diskussion geht es häufig um potenzielle Gefahren, die es für Kinder gibt. Können Sie ein paar Beispiele nennen?

    Davon gibt es leider eine Menge. Fangen wir mit den Kostenfallen an: Das sind klassische Abo-Fallen, wenn man etwas Kostenpflichtiges bestellen möchte. Oder die gefährdete Privatsphäre, etwa beim sogenannten Cyber-Grooming, wenn gezielt Teenager kontaktiert werden, um Privates preiszugeben. Auch in Chats bei Online-Spielen oder WhatsApp-Nachrichten von Fremden geht es darum, dass Kinder ein gutes Bauchgefühl entwickeln müssen, um sich zu fragen: Gehört das wirklich hierher oder sollte ich den Kontakt lieber abbrechen? Das ist für Kinder häufig schwierig zu erkennen, weil die Erfahrungswerte fehlen. Auch Cybermobbing ist nach wie vor ein weit verbreitetes Thema.

    Was können Eltern tun, wenn ihr Kind etwa im Klassenchat beleidigt oder bloßgestellt wird?

    Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Eltern es überhaupt mitbekommen. Viele merken es gar nicht oder zu spät, wenn ihr Kind geärgert wird und darunter leidet. Wichtig ist, dass Erwachsene ihre Kinder bei ihren Erfahrungen immer mal wieder begleiten, Fragen stellen, neugierig bleiben, auch wenn das manchmal anstrengend sein kann. Ganz wichtig: Dem Kind keine Vorwürfe machen. Schuldzuweisungen à la „Was hast du dir dabei gedacht?“ helfen nicht weiter. Das führt häufig dazu, dass Kinder denken, ihnen wird das Smartphone bei der ersten Gelegenheit weggenommen, wenn sie von Konflikten erzählen. Eltern müssen ein offenes Ohr haben und nicht gleich mit den schlimmsten Konsequenzen drohen. Bei konkreten Gefahren müssen Eltern aber auch einschreiten und handeln, damit das Kind sich beschützt fühlt. An vielen Schulen gibt es mittlerweile Interventions-Teams, die man kontaktieren kann, etwa wenn man von Mitschülern gemobbt wird. Kontakte sollten auch blockiert oder im Extremfall auch zur Anzeige gebracht werden. Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung sind alles Straftatbestände.

    Was kann ich tun, wenn ich bei meinem Kind eine Frühform von Handysucht erkenne?

    Ich spreche eher von einem exzessiven Nutzungsverhalten. Zunächst einmal sollten Eltern versuchen herauszufinden, was der Anlass ist, warum das Kind so viel Zeit am Handy verbringt. Ein neues Spiel? Gibt es Probleme mit Freunden? Man kann eine Zeit vereinbaren, die das Kind täglich ans Handy darf, dafür gibt es aber keine pauschalen Regeln. Wichtiger ist die Frage für Eltern: Was macht das Kind alles in seiner Freizeit, was ich mir wünsche? Ist es im Sportverein? Trifft es sich mit Freunden? Hilft es im Haushalt? Wenn dann noch Zeit übrig bleibt, sollte das Kind auch seine Freizeit so gestalten, wie es möchte.

    Welche positiven Aspekte sehen Sie dennoch, wenn Kinder frühzeitig den Umgang mit Handys lernen?

    Es gibt viele positive Sachen, etwa wenn man die eigene Produktivität steigern will. Handys oder Tablets kommen im Schulunterricht zum Einsatz und helfen dabei, wenn man Themen recherchieren möchte. Kindern lernen so auch, mit einer Fülle an Informationen umzugehen. Es ist gut, wenn Kinder etwa frühzeitig lernen, wie man eine Quelle im Internet verifizieren kann. Viele Lebensbereiche werden aktuell digitalisiert, sich davor zu verschließen, macht überhaupt kein Sinn. Ein Beispiel, das platt klingt, aber total Sinn macht: Ein Kind, das Schwimmen lernt, muss auch lernen, wie es über Wasser bleibt.

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