Deutscher Meister wird nur der SVW!“ Das letzte Mal, dass dieser Evergreen in der Fankurve des Weserstadions ganz ohne Ironie gegrölt wurde, ist bedauerlicherweise schon etwas länger her. 2004 trugen die Spieler von Werder Bremen die Schale über den Rasen. 15 Jahre später ist es wieder so weit: deutscher Meister Werder Bremen! Zwar nicht in der Fußball-Bundesliga, dafür in der „Virtual Bundesliga“ (VBL), in der sich die besten E-Sportler des Landes treffen, um gegeneinander „FIFA 19“ zu zocken. E-Sport boomt – und der Hype ist in vollem Gang. Zur Freude von Michael „MegaBit“ Bittner und seinem Werder-Teamkollegen Mohammed „MoAuba“ Harkous, die als die ersten Gewinner der neu gegründeten Virtual Bundesliga mit ihrem Titel in die Geschichte eingehen und kürzlich auch in die deutsche Nationalmannschaft berufen wurden.
Videospiel-Profis von der Weser: „MoAuba“ und „MegaBit“
Hinter dem E-Sport-Boom steckt nicht nur der Spielespaß ein paar ausgebuffter junger Männer, die sich per Xbox 360 und Playstation 4 duellieren, sondern längst ein riesiges Business. Michael und Mohammed sind beide Profispieler und können von ihren Einkünften leben. „Mittlerweile werde ich auch auf der Straße erkannt. Manche kommen zu mir, wollen ein Selfie und sagen im Scherz: ‚Lass mal ,FIFA’ spielen, ich zieh dich ab!‘“, erzählt Mohammed.
Die Jungs jetten für E-Sports-Turniere um die halbe Welt
Die virtuellen Matches mit gegnerischen Teams kann man per Stream auf Plattformen wie Twitch verfolgen. Bei der E-Sports-WM in London lagen die Zahlen, etwa im Halbfinale, bei 10 Millionen Zuschauern. Im Frühjahr 2019 flogen die Werder-Helden zwischen ihrem Bundesliga- Alltag zu internationalen Turnieren in die USA oder nach Singapur, im Sommer geht es dann zur E-Sports-Weltmeisterschaft. Während weitere deutsche Profivereine wie Schalke 04, VfL Wolfsburg oder VfB Stuttgart längst auf den E-Sport-Zug aufgesprungen sind und ebenfalls Profiteams stellen, gibt es aber auch reichlich Gegenwind für die noch junge Szene. Um Bekanntheit und Förderfelder zu generieren, klopft man bislang vergeblich beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) an. Präsident Alfons Hörmann ist entschieden: „E-Sport existiert nicht. Und er wird auch nicht ins olympische Sportprogramm aufgenommen.“ Der hessische Sportminister Peter Beuth (CDU) meint sogar: „E-Sport ist so wenig Sport wie Stricken oder Blockflötespielen.“
Immer mehr Menschen öffnen sich dem Thema E-Sport
Über derartige Kommentare können die beiden Werder-Profis nur schmunzeln. Sie machen die Erfahrung, dass sich immer mehr Menschen dem Thema öffnen: „E-Sport ist in der Gesellschaft angekommen, aber noch nicht überall akzeptiert. Daher wollen wir viele Vorurteile abbauen“, sagt Michael. Ein beliebtes lautet: E-Sportler daddeln nur, ernähren sich schlecht und gehen kaum an die frische Luft. Stimmt das? Mohammed: „Das ist natürlich Quatsch. Aber klar, wenn im Oktober ‚FIFA 20‘ erscheint, dann weiß meine Freundin, dass sie mich eine Woche lang wahrscheinlich nicht zu Gesicht bekommt.“