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    Photovoltaik & Solaranlagen: Kommt die Pflicht für alle Dächer?

    Solaranlagen sind ein wichtiger Baustein der erneuerbaren Energien, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Die Bundesregierung will den Ausbau stark vorantreiben – in manchen Bundesländern soll sogar eine gesetzliche Pflicht eingeführt werden. Photovoltaik-Experte Andy Satzer von EWE beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen für geschäftliche und private Betreiber von PV-Anlagen.

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    Andy Satzer Der Solarexperte
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    Andy Satzer (41) stammt aus Hemmoor (Landkreis Cuxhaven), ist Experte für erneuerbare Energien und arbeitet seit 2018 bei EWE als Vertriebsleiter für Energiedienstleistungen. Der zweifache Vater lebt mit zwei Kindern und Lebensgefährtin in Bremen. Privat geht er gerne an den Weserstrand, spielt Gitarre oder feuert seinen Sohn am Wochenende bei Fußballturnieren an.

    In Hamburg gibt es ab 2023 die gesetzliche Pflicht, dass auf jedem Neubau eine PV-Anlage installiert sein muss. Der richtige Weg?
    Grundsätzlich gibt es da kein Richtig oder Falsch. Ich befürworte die Freiwilligkeit. Ein Zwang bedeutet stets, dass es Menschen gibt, die nicht frei agieren und entscheiden können. Für die Popularität von Photovoltaik ist es auch nicht besonders förderlich. Eine Pflicht könnte dafür sorgen, dass Investitionskosten in die Höhe schießen, gerade bei Dachsanierungen oder Neubau. In anderen Bereichen werden wegen der Pflicht eventuell aber gar keine Investitionen mehr getätigt. Das wäre der negative Effekt. Man muss auch die Sinnfrage stellen, ob eine PV-Pflicht nicht zu einer Verlagerung des Geschäfts führt.

    Was meinst du damit?
    Der generelle Zubau findet eventuell nur noch dort statt, wo die Pflicht besteht. Spannender ist es, Hürden abzubauen, die Rahmenbedingungen sowie den Zugang zu Photovoltaik zu vereinfachen und die Einspeisevergütung attraktiver zu machen. Das wäre deutlich zielgerichteter als ein Zwang, bei dem von den Nutzern eh nur Minimalanforderungen erfüllt werden müssen.

    Würde ein Zwang trotzdem in gewissen Bereichen Sinn machen?
    Ich finde, beim Neubau sollte darauf geachtet werden, dass Häuser zumindest kompatibel für Photovoltaikanlagen sein sollten. Geeignete Statik und Dachflächen sollte in eine Bauordnung einfließen, so dass eine Nachrüstung zu einem späteren Zeitpunkt so kostengünstig möglich und umsetzbar ist. Die Voraussetzungen dafür im Bau zu berücksichtigen ist nicht aufwändig.

    Von Außenministerin Annalena Baerbock stammt der Slogan „Auf jedes Dach eine Solaranlage“. Geht das technisch überhaupt?
    Manche Dächer haben nicht die geeignete Statik haben, um das Gewicht einer PV-Anlage tragen zu können. Es gibt auch Dächer, die stark verwinkelt sind, mit kleinen Flächen oder mit Fenstern, Gauben oder TV-SAT-Schüsseln. Dort kann man kaum Leistung installieren. Was sich aber in den vergangenen Jahren deutlich vereinfacht hat: Die Dachausrichtung spielt keine so große Rolle mehr. Auf flachen Norddächern lassen sich mittlerweile PV-Anlagen wirtschaftlich betreiben, auch auf Ost-/Westdächern ist das völlig unproblematisch.

    Die neue Bundesregierung hat kürzlich ein „Solarbeschleunigungspaket“ beschlossen. Im Frühjahr soll das „Osterpaket“ und später das „Sommerpaket“ kommen. Was hat es damit auf sich?
    Im Koalitionsvertrag steht, dass alle geeigneten Flächen mit Photovoltaik belegt werden sollen. Robert Habeck (Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz – Anmerk.) hat kürzlich bekanntgegeben, dass Sofortmaßnahmen greifen müssen, damit wir unsere Klimaziele ansatzweise erreichen können. Unter anderem sollen Ausschreibungsmengen für Wind und Solar erhöht werden, das betrifft vor allem größere Solaranlagen. Und es soll eine gesetzliche Pflicht für gewerbliche Anlagen geben. Was das konkret für private Haubesitzer bedeutet, kann ich noch nicht abschätzen.

    Ein weiteres Ziel: Bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs steigen. Die Photovoltaik soll dabei bis 2030 auf 200 Gigawatt steigen. Ein realistisches Ziel?
    Um diese Ziele zu erreichen, braucht es eine Verdreifachung des gegenwärtigen Zubaus. Auch mit der Solarpflicht würde man das nicht erreichen, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, dafür gibt es aktuell zu wenig Anreize im Markt. Hinzu kommt, dass es aktuell, wie in allen Handwerkerbranchen, einen enormen Mangel gibt. Die Kapazitäten, das Know-how und die Infrastruktur für PV-Anlagen-Monteure müssten dementsprechend aufgebaut werden. Dafür brauchen wir jetzt die Anpassungen. Das heißt: ein gesundes Wachstum, Abbau der Bürokratie und Erhöhung der Förderung. Mit der Sonnensteuer und dem Wegfall der EEG-Umlage sind wir bereits auf einem guten Weg.

    Welche weiteren Änderungen kommen dieses Jahr auf PV-Anlagen-Betreiber zu? Und worauf müssen sich Menschen einstellen, die 2022 eine Photovoltaikanlage bauen wollen?
    Der frühe Vogel fängt den Wurm – je eher man ans Netz geht, desto höher ist der Satz für die Einspeisevergütung. Mein zweiter Tipp: Die Anlage immer gerne größer dimensionieren, den Strom werden wir morgen brauchen. Teilweise brauchen wir ihn sogar heute schon, weil wir den Strom für E-Autos oder Heizungen nutzen.

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