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    Cybermobbing: Wenn Ausgrenzung digital wird

    Beleidigungen im Klassenchat, peinliche Fotos in den sozialen Netzwerken oder verletzende Kommentare rund um die Uhr – Cybermobbing trifft viele und wirkt oft tiefer, als man denkt. Expertin Deborah Woldemichael von klicksafe ordnet ein, wie sich das Phänomen vom klassischen Mobbing unterscheidet und was Betroffene brauchen.

    © Kaspars Grinvalds/Adobe Stock
    Deborah Woldemichael Die Leiterin der EU-Initiative klicksafe
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    Deborah Woldemichael ist Leiterin der EU-Initiative klicksafe und Koordinatorin des deutschen Safer Internet Centres, welches eingebettet ist in die Strategie der Europäischen Kommission „Better Internet for Kids“. Sie ist Leiterin des Teams Medienkompetenz bei der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, dort arbeitet sie seit dem Jahr 2012. Frau Woldemichael ist Diplom-Pädagogin und arbeitete zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Medienpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg - Universität Mainz sowie als medienpädagogische Referentin bei jugendschutz.net, dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet. (Bild: privat)

    Streitigkeiten gehören zum menschlichen Miteinander. Doch wenn Beleidigungen oder das Verbreiten von Gerüchten gezielt und über einen längeren Zeitraum stattfinden, spricht man von Mobbing. „Das Opfer wird ausgegrenzt, verspottet, bedroht und es werden Gerüchte und Unwahrheiten verbreitet. Findet das Mobbing online über Smartphone oder andere digitale Medien und Geräte statt, spricht man von Cybermobbing“, erklärt Deborah Woldemichael, Leiterin der EU-Initiative klicksafe bei der Medienanstalt Rheinland-Pfalz. Im Netz kann dieses Verhalten besonders gravierend wirken. „Während analoges Mobbing in der Regel doch einigermaßen lokal bleibt, z.B. in der Klasse/Schule oder im Team/in der Firma, kann Cybermobbing schnell sehr große Personenkreise erreichen und nachhaltig wirken, weil das Netz nicht vergisst.“

    Digitale Plattformen als Tatort

    Cybermobbing kann grundsätzlich über alle digitalen Kanäle, Anwendungen und Kontexte erfolgen – von E-Mails über Messenger bis zu sozialen Netzwerken. Besonders problematisch sind Gruppenchats oder soziale Medien, da Inhalte dort mit nur wenigen Klicks weitergeleitet und massenhaft verbreitet werden können. „Durch die ständige Verfügbarkeit von Smartphonekamera und mobilem Internet können Peinlichkeiten oder Missgeschicke jederzeit dokumentiert und direkt aus der Situation heraus versendet oder veröffentlicht werden. So kann man über alle digitalen Kanäle leichter Opfer von Cybermobbing werden“, sagt Woldemichael.

    Warnzeichen früh erkennen

    Die Reaktionen auf Cybermobbing sind unterschiedlich, dennoch gibt es typische Anzeichen. Viele Betroffene ziehen sich zurück, wirken verschlossener oder verlieren ihre Fröhlichkeit. Häufig treten körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit auf. Auch schulische und berufliche Leistungen können abfallen.

    Anzeichen von Cybermobbing
    • Sozialer Rückzug, Verschlossenheit, weniger Gespräche über Schule oder Arbeit, nachlassende Fröhlichkeit
    • Körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit
    • Psychische Reaktionen wie Niedergeschlagenheit, fehlendes Selbstvertrauen, Ängste oder Depressionen
    • Ungern oder nur mit Bauchschmerzen zur Schule oder Arbeit gehen, nachlassende Konzentration und Leistungen
    • Verändertes Verhalten im Internet: Meiden von Netzwerken, schnelles Schließen von Apps, auffällige Reaktionen auf das Smartphone
    • Mögliche Blessuren, beschädigte Gegenstände oder abgenommene Wertgegenstände bei gleichzeitigem Mobbing im Alltag
    • Abblocken von Gesprächen über Veränderungen, Herunterspielen der Situation oder Reaktionen mit Scham

    Schwere psychische Folgen

    Die Auswirkungen können erheblich sein. Während manche Betroffene die Angriffe abwehren können, fühlen sich viele andere hilflos, einsam und traurig. Cybermobbing schwächt das Selbstwertgefühl und kann zu Angststörungen oder Depressionen führen. In schweren Fällen entwickeln Jugendliche sogar Suizidgedanken. „Findet Cybermobbing in einer sozialen Gruppe wie der Klasse oder dem Sportteam statt, kann man häufig auch eine Verschiebung des Werterahmens der Gruppe beobachten, bei der betroffene Personen an den „Rand“ oder gar aus dem sozialen Gefüge gedrängt werden – wenn nicht rechtzeitig und effektiv eingegriffen wird“, warnt Woldemichael.

    Prävention und Aufklärung

    Einen vollständigen Schutz vor Cybermobbing gibt es nicht. Wichtig sei es jedoch, frühzeitig Empathie, digitale Verhaltensregeln und Medienkompetenz zu vermitteln. „Gefragt ist dabei auch ein zugewandtes Interesse, sich mit technischen Entwicklungen auseinanderzusetzen, um Medienwelten von Kindern und Jugendlichen möglichst vorurteilsfrei begegnen zu können“, fasst Woldemichael zusammen. Eltern können ihre Kinder so in der Medienwelt begleiten und im Netz schützen. Sie sollten zudem Gespräche über Erfahrungen im Netz suchen und bei Vorfällen besonnen reagieren.

    Tipps für Eltern
    • Ruhig bleiben, Kinder und Jugendliche ernst nehmen
    • Smartphone und Internet nicht verbieten
    • Kühlen Kopf behalten und Angriffe dokumentieren
    • Mobber*innen blockieren und Angriffe melden
    • Sich gegen Mobbing verteidigen, ohne zurückzubeleidigen
    • Bei Cybermobbing im Schulumfeld die Lehrkraft informieren
    • Nicht vorschnell mit Eltern möglicher Täter*innen sprechen
    • Verbündete und erwachsene Vertrauenspersonen suchen
    • Hilfe bei Expert*innen suchen, z.B. www.nummergegenkummer.de
    • In besonders schlimmen Fällen Polizei einschalten

    So können Eltern reagieren und helfen

    Wenn Cybermobbing auftritt, sind Eltern oft verunsichert, wie sie reagieren sollen. „Es ist wichtig, dem Kind aufmerksam zuzuhören, ihm zu glauben und seine Sorgen ernst zu nehmen. Das Kind braucht jetzt den Rückhalt und die Zuwendung der Eltern“, erläutert Woldemichael. Eigenmächtige Konfrontationen mit Täterinnen oder Tätern können die Lage verschärfen, besser ist es, gemeinsam mit dem Kind und Fachpersonen wie Lehrkräften oder Sozialarbeitenden das weitere Vorgehen zu planen. Beratungsstellen oder die Polizei können zudem rechtlich unterstützen. Hilfreich sind auch Ausgleich und Stärkung im Alltag – etwa gemeinsame Aktivitäten, die Selbstvertrauen geben. Ein vollständiges Internetverbot ist nicht sinnvoll, eine zeitweise digitale Pause kann jedoch entlastend wirken.

    Ein wachsendes Problem

    Wie verbreitet Cybermobbing tatsächlich ist, lässt sich schwer messen. Studien unterscheiden sich in Methoden und Definitionen. Ein Blick in die JIM-Studie 2024 zeigt jedoch, dass 57 Prozent der befragten Jugendlichen schon einmal beleidigende Aussagen im Netz erlebt haben (Hate-Speech, Cybermobbing usw.) – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. International variieren die Zahlen, doch selbst die niedrigsten Schätzungen zeigen, wie ernst das Problem ist.

    Woldemichael fordert deshalb mehr Aufklärung und verbindliche Medienbildung in Schulen sowie strengere Regulierung der Plattformen: „Cybermobbing findet oft im Schulkontext statt. Deshalb ist es wichtig, direkt dort anzusetzen. Mit unseren Materialien und Kampagnen unterstützen wir pädagogische Fachkräfte dabei, aktiv gegen Cybermobbing vorzugehen.“ Doch das kann nicht nur von Initiativen wie klicksafe ausgehen. Auch soziale Netzwerkanbieter müssten deshalb ihrer Verantwortung noch besser nachkommen und junge Menschen wirksam vor digitalen Angriffen schützen.

    Weiterführende Informationen zum Thema Cybermobbing und Materialien für die pädagogische Praxis sowie Elternratgeber u.v.m. gibt es bei klicksafe.de.

    Hier finden Sie außerdem Hilfe!

    Beratungsangebote für Eltern

    Beratungsangebote für Jugendliche

    • Nummer gegen Kummer (Beratung für Kinder und Jugendliche)
      Kostenfreies und anonymes Beratungstelefon für Kinder und Jugendliche
      www.nummergegenkummer.de
    • Internetplattform JUUUPORT - Hilfe von Jugendlichen für Jugendliche
      www.juuport.de
    • krisenchat
      Krisenberatung für junge Menschen
    • Safe im Recht
      Beratungsstelle zu digitaler Gewalt und Jugendrecht

    Über klicksafe

    klicksafe ist die deutsche Medienkompetenz-Initiative der Europäischen Union für mehr Sicherheit im Netz. In Deutschland wird klicksafe von der Medienanstalt Rheinland-Pfalz verantwortet. Mit vielfältigen Angeboten unterstützt klicksafe beim souveränen und kritischen Umgang mit digitalen Medien. Auf klicksafe.de finden pädagogische Fachkräfte, Eltern und interessierte Nutzer*innen aktuelle Informationen und Materialien.

    klicksafe ist politisch und wirtschaftlich unabhängig und Mitglied im Verbund „Safer Internet DE“ (saferinternet.de). Diesem gehören neben klicksafe als Awareness Centre, die Hotlines internet-beschwerdestelle.de (von eco und FSM) und jugendschutz.net sowie die Helpline Nummer gegen Kummer an.

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