Hayo, kannst du in einfachen Worten erklären, warum EWE die Speicherung von Wasserstoff verprobt?
Hayo Seeba: Wir engagieren uns dafür, weil es eigentlich keine Alternative gibt. Wir müssen hin zu den sogenannten grünen Molekülen, um im großen Stil klimaneutral zu werden. Grüner Strom, also Elektronen, ist nur begrenzt speicherfähig. Moleküle hingegen, also Erdgas oder grüner, aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff, sind in großen Mengen speicherfähig und bedarfsgerecht nutzbar. Grüner Wasserstoff wird also zur unverzichtbaren Komponente, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen und die zukünftige Energieversorgung zu diversifizieren und zu sichern. Deswegen hat sich EWE schon sehr früh auf die Fahnen geschrieben, den Wasserstoff-Markt zu sondieren. Dazu gehört auch die Frage, wie man perspektivisch Wasserstoff speichern kann. Als Gasspeicherbetreiber haben wir umfangreiche Erfahrung, wie die unterirdische Speicherung funktioniert. Gleichzeitig haben wir sehr früh gemerkt, dass bei Wasserstoff ganz neu zu betrachtende Aspekte auf uns zukommen, die wir jetzt im Kleinen testen, bevor wir sie im Großen anwenden können. In unserem Projekt tun wir das und schwimmen damit deutlich vor der Welle.
In den letzten beiden Jahren hat EWE die Wasserstoffkaverne in Rüdersdorf gebaut, seit Oktober 2023 lagert nun erstmals Wasserstoff darin und erste Tests für den Betrieb eines unterirdischen Wasserstoffspeichers finden statt. Wie lautet das erste Zwischenfazit?
Hayo Seeba: Die ersten Ergebnisse sind positiv. Nach dem Bau der 500 Kubikmeter großen Kaverne haben wir die Zuleitung bis auf 1.000 Meter Tiefe in den gigantischen Salzstock erfolgreich auf Dichtheit getestet. Außerdem haben wir eine aufwändige Obertageanlage gebaut. Diese braucht es, um die Testkaverne überhaupt mit Wasserstoff betreiben zu können. Die Technik ist vergleichbar mit der für die Erdgasspeicherung. Wir haben sie auf die Speicherung von Wasserstoff angepasst. Sehr viele Überlegungen und Planungsgrundlagen aus dem Erdgasbereich mussten wir dabei neu denken und neu betrachten.. Und seit Oktober lagern wir nun Wasserstoff in der Testkaverne und verproben das Wechselspiel zwischen der Ein- und Ausspeicherung von Wasserstoff. Ziel ist es, neben dem Betrieb der Anlage auch die Qualität des Wasserstoffes nach dem Ausspeichern zu testen und entsprechend für den Einsatz aufzubereiten. Dazu gehört auch der Nachweis, wie viel Feuchtigkeit der Wasserstoff untertage aufnimmt und wie die Trocknungsanlage eingestellt werden muss. Denn eine Reinheit von nahezu 100 Prozent ist wichtig für zukünftige Anwendungen, vor allem im Mobilitätsbereich.
Hat technisch alles auf Anhieb geklappt?
Hayo Seeba: Es ist sehr wertvoll, dass wir dieses Entwicklungsprojekt durchlaufen. Wir stoßen auf einige beachtenswerte Dinge, die bei der bisherigen Erdgasspeicherung eher selten ein Problem sind. Wasserstoff ist eben nicht gleich Erdgas. Und bevor die Wasserstoffspeicherung etabliert werden kann, braucht es daher Tests und Nachweise. Froh sind wir, dass inzwischen alles funktioniert.
Worauf seid Ihr zum Beispiel gestoßen?
Hayo Seeba: Es geht sehr häufig um das Thema „Dichtigkeit“. Wasserstoff erreicht viel höhere Fließgeschwindigkeiten, als wir es bislang von Erdgas kannten. Das hat Auswirkungen an ganz vielen Stellen, vor allem im Betrieb der Anlage. Daher ist es gut, dass wir jetzt im Testbetrieb genau schauen können, was sich optimieren lässt, bevor in der Zukunft die Großproduktion und auch Speicherung von Wasserstoff startet. Das erfolgreiche Zwischenfazit lautet, dass wir die Kaverne trotz einiger Widrigkeiten und neuen Erfahrungen bauen und erfolgreich mit Wasserstoff füllen konnten und nun den Betrieb der Technik testen können.
Wasserstoff ist scheinbar nicht so pflegeleicht wie Erdgas – auch eine der Erkenntnisse der vergangenen Monate?
Hayo Seeba: Im Umgang mit Wasserstoff muss man neue Dinge lernen. Man kriegt es hin, aber auf dem Weg muss man sich auf neue Umstände einstellen, um in der Großanlage Wasserstoff effektiv und ohne Verluste speichern zu können. Im Erdgasbereich gibt es zudem ganz klare Regeln und Richtlinien für den Betrieb einer Speicheranlage. Für die Speicherung von Wasserstoff müssen diese Regeln erst noch geschrieben werden. Fakt ist: Der sichere Betrieb einer solchen großtechnischen Anlage ist das A und O. Und das muss nachgewiesen und geregelt werden. Zudem muss das Thema Arbeitssicherheit weitergedacht werden, da Wasserstoff zündfähiger als Erdgas ist.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Hayo Seeba: In den kommenden Monaten wollen wir die Tests in der Kaverne ausweiten und in ein sogenanntes Testregime überführen. Dafür haben wir uns ein Ein- und Ausspeichermechanismus überlegt, der vor allem eine Frage beantworten soll: Wie kann später eine Kaverne so effizient wie möglich betrieben werden? Die Leistung einer Kaverne ist vorgegeben durch Gebirgsmechaniker, die festlegen, wie schnell Wasserstoff ein- und ausgespeichert werden darf. Da bewegen sich alle Experten auf völlig neuem Terrain – auch weil es auf dem Gebiet der Kavernenspeicherung von Wasserstoff nur wenige öffentlich zugänglichen Ergebnisse gibt.
Gibt es ein konkretes Timing, das ihr verfolgt?
Hayo Seeba: Rüdersdorf ist grundsätzlich ein sehr interessanter Standort, um hier in Zukunft Wasserstoff zu speichern. Konkreter wird es am Standort Huntorf, wo wir eine unserer Kavernen mit dem 500-fachen Volumen der Rüdersdorfer Testkaverne umrüsten wollen. Bestenfalls soll diese bereits 2026/2027 in Betrieb gehen. Allerdings ist die Realisierung noch von der Genehmigung der Fördermittel abhängig. Denn ein solch großes Projekt können wir nicht aus eigener Kraft realisieren.
Wasserstoff kommt nicht in Privathaushalten, sondern primär in der Industrie zum Einsatz. Für welche Kunden werden eure Kavernen von Interesse sein?
Hayo Seeba: Etwa für Zementhersteller sowie Firmen aus der Metallindustrie, Betriebe aus dem Mobilitätsbereich, aber auch die Luftfahrtbranche, die auf der Suche nach klimaneutralen Kraftstoffen ist. Auch wenn Wasserstoff für viele Verbraucher scheinbar nicht im Alltag greifbar ist, ist er trotzdem Teil einer wichtigen Lieferkette. Das neue Auto, der Antrieb der Müllabfuhr oder der Stahl beim Hausbau – das sind alles Komponenten, die in der Produktion auf Wasserstoff angewiesen sein können und somit auch mit den Verbrauchern verbunden sind, wenn auch nur indirekt.