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    Alte Windräder: Rückbau und Recycling im Überblick

    Windenergie ist eine tragende Säule der Energiewende – und damit auch ein zentrales Handlungsfeld für Energieunternehmen wie EWE. Das Unternehmen setzt sich nicht nur für den Ausbau erneuerbarer Energien ein, sondern auch für deren nachhaltige Nutzung über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Ein oft unterschätzter Teil davon: das professionelle Recycling ausgedienter Windkraftanlagen.

    © Alterric

    Was passiert mit den Anlagen, wenn sie abgebaut werden? Welche Materialien lassen sich recyceln – und wo liegen die Herausforderungen? Ein Unternehmen, das sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, ist Alterric – ein Joint Venture von EWE und der Aloys-Wobben-Stiftung, das zu den führenden Betreibern von Onshore-Windenergieanlagen in Deutschland zählt. Im Interview gibt Andreas Tränapp, Experte für Turbine Engineering bei Alterric, einen detaillierten Einblick in den Rückbauprozess, gesetzliche Rahmenbedingungen und die Zukunft des Anlagenrecyclings.

    Andreas Tränapp Der Windkraft-Experte
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    Andreas Tränapp arbeitet seit 2 Jahren bei Alterric als Experte Turbine Engineering und kümmert sich um die Beschaffung und Baubegleitung der Windenergieanlagen bis zur Inbetriebnahme. In diesem Zuge ist er auch für den Rückbau und die Verwertung der betroffenen Bestandsanlagen im Repowering zuständig. Seine Freizeit verbringt er mit seiner Familie oder auf dem Rennrad.

    Herr Tränapp, Windenergieanlagen sind ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Doch auch sie haben eine begrenzte Lebensdauer. Wie viele Windräder betreibt Alterric aktuell – und wie viele stehen in den nächsten Jahren zur Stilllegung an?

    Alterric betreibt derzeit rund 1.200 Windenergieanlagen mit einer breiten Altersstruktur. Für die kommenden Jahre rechnen wir mit einem Rückbau von etwa 70 bis 100 Anlagen jährlich

    Wie früh beginnt bei Ihnen der Prozess der Rückbauplanung und des Recyclings?

    Der Anstoß zur Planung erfolgt häufig durch eine Neuplanung des Standorts – also dann, wenn bestehende Anlagen durch modernere ersetzt werden sollen. Von dem Moment an bleiben uns in der Regel zwei bis drei Jahre bis zum tatsächlichen Rückbau. In diesem Zeitraum fließen die strategischen Überlegungen ein: Wird die Anlage weiterverkauft – auch eine Anlage, die schon 20 bis 25 Jahre in Betrieb war, hat das Potenzial, noch weitere 10 bis 15 Jahre zu laufen – , dienen Komponenten als Ersatzteile oder erfolgt das Recycling? Diese konkreten Planungen starten meist drei bis sechs Monate vor dem eigentlichen Rückbau.

    Wie läuft ein solcher Rückbau typischerweise ab? Können Sie die einzelnen Schritte skizzieren?

    Der Prozess beginnt mit der Freischaltung der Anlage. Danach kommt ein großer Kran zum Einsatz, der die Turbine schrittweise zurückbaut – in umgekehrter Reihenfolge zum ursprünglichen Aufbau. Das heißt: Zuerst werden die Rotorblätter demontiert, dann das Maschinenhaus und zuletzt der Turm. Wiederverwendbare Komponenten wie ganze Rotorblätter oder Maschinenbauteile verlassen den Standort unversehrt. Ersatzteile für unsere Lagerhaltung werden direkt vor Ort ausgebaut. Recyclingfähige Materialien wie Stahl werden, sofern es keine weitere Verwendung gibt, auf der Baustelle zerkleinert, um sie mit Standardtransporten abzufahren.

    Welche Materialien lassen sich besonders gut recyceln – und bei welchen gibt es Probleme?

    Mehr als 90 Prozent der Bestandteile einer Windenergieanlage bestehen aus recycelbaren Materialien. Dazu zählen vor allem wertvolle Metalle wie Stahl, Aluminium und Kupfer. Diese Stoffe lassen sich gut sortenrein trennen und wieder einschmelzen. Schwieriger wird es bei den Rotorblättern: Diese bestehen zum Teil aus glasfaserverstärktem Kunststoff – kurz GFK – einem Materialverbund, der sich nur schwer trennen und recyceln lässt.

    Wie gehen Sie mit diesen GFK-haltigen Rotorblättern um?

    Ein vollständiger Weiterverkauf der Rotorblätter ist nur selten möglich – meist aufgrund ihres Zustands oder weil sie technisch nicht mehr gefragt sind. In diesen Fällen zerkleinern unsere Partner die Rotorblätter direkt auf der Baustelle mithilfe spezieller Verfahren, die Umwelteinträge verhindern. Die entstehenden Stücke werden zum Beispiel in der Zementproduktion eingesetzt. Dabei dienen die Verbundmaterialien als Zuschlagstoff. Ein kleiner Teil wird auch thermisch verwertet – also kontrolliert in Kraftwerken verbrannt, etwa zur Energiegewinnung.

    Gibt es gesetzliche Vorgaben für das Recycling von Windenergieanlagen? Und genügen diese Ihrer Meinung nach?

    Deutschland hat hier einen sehr umfangreichen gesetzlichen Rahmen – sowohl für den Umgang mit Abfällen allgemein als auch speziell für Baustellen. Zusätzlich wurde eine eigene DIN-Spezifikation für Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen erarbeitet. Diese geht über Umweltaspekte hinaus und berücksichtigt auch Themen wie Baustellensicherheit. Ziel ist es, diese Spezifikation in eine verbindliche Norm zu überführen. Meiner Einschätzung nach reichen die bestehenden Vorgaben aus, um Recyclingprozesse sicher und umweltgerecht durchzuführen.

    In der öffentlichen Diskussion steht oft die Verantwortung der Hersteller im Raum. Sollten diese stärker in die Pflicht genommen werden – etwa durch Rücknahmesysteme?

    Rücknahmesysteme sind aktuell nicht im Gespräch. Was wir jedoch beobachten, ist die Ankündigung vieler Hersteller, künftig recycelfähige Materialien einzusetzen – insbesondere bei den Rotorblättern. Das Problem ist allerdings: Der Rückbau betrifft derzeit vor allem Altanlagen, bei denen Recyclingaspekte in der Entwicklung noch keine Rolle gespielt haben. Künftig wird sich das ändern: In den nächsten Jahren dürften Materialkombinationen auf den Markt kommen, die sich besser trennen und wiederverwerten lassen.

    Wie wird sich das Recycling in der Windbranche insgesamt entwickeln?

    Die Bedeutung des Recyclings wird zweifellos wachsen. Bei modernen Anlagen steigt der Anteil wiederverwertbarer Materialien ohnehin weiter. Und mit zunehmender Zahl an Altanlagen wird der Rückbau eine immer wichtigere Aufgabe. Unternehmen wie Alterric, die zu den größten Betreibern in Deutschland zählen, werden durch ihre Marktstellung auch mitbestimmen, wie sich Standards und Prozesse entwickeln.

    Vielen Dank für das Interview!

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