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    Mythen und Fakten: Warum stehen Windkraftanlagen manchmal still?

    Wer bei einer Fahrt über Land an Windkraftanlagen vorbeikommt, kennt diesen Anblick: Trotz ausreichenden Winds stehen die Rotorblätter still, die Anlage produziert keinen Strom. Und das, obwohl sich Deutschland das Ziel gesetzt hat, möglichst viel Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. hallonachbar.de erklärt, wann und warum Windkraftanlagen abgeschaltet werden. Und wirft außerdem einen Blick auf das Repowering von Anlagen, mit dem Betreiber Windkraft noch nachhaltiger nutzen.

    © Alterric

    Wie viel Strom wird in Deutschland durch Windkraft erzeugt?

    Rund 125 Terawattstunden Strom – so hoch war im Jahr 2022 die Energieausbeute aus Windkraft in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von rund 22 Prozent an der gesamten Bruttostromerzeugung. Die meiste Windenergie, etwa 100 Gigawattstunden, wurde dabei durch Windkraftanlagen an Land (Onshore) erzeugt, 25 Gigawattstunden haben Anlagen auf hoher See (Offshore) beigesteuert. In Deutschland befanden sich Ende 2022 mehr als 28.000 Onshore-Windkraftanlagen und circa 1.500 Offshore-Anlagen in Betrieb. Durch die Erzeugung von Strom durch Windkraft anstelle von fossilen Energieträgern konnten 2022 in Deutschland etwa 95 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart werden.

    Wie kommt es, dass Windkraftanlagen manchmal stillstehen, obwohl genügend Wind für eine gute Stromausbeute weht?

    Dafür gibt es unterschiedliche Gründe: Die Wetterlage ist einer davon (siehe nächste Frage). Ein weiterer Grund betrifft den Schutz von Menschen zum Beispiel vor Lärm und Tieren vor Kollisionen mit den Rotoren. Auch während Wartungsarbeiten und Reparaturen stehen die Anlagen still. Eine zu hohe Stromerzeugung, die die Stromnetze überlasten würde, kann ebenfalls zu Abschaltung führen. Und nicht zuletzt kann es vorkommen, dass der Preis zu niedrig bzw. sogar negativ ist, den die Betreiber für den Strom an der Strombörse erzielen können. Sie schalten dann die Windkraftanlagen aus wirtschaftlichen Erwägungen ab. Fakt ist aber: Nur etwa fünf bis sechs Prozent ihrer möglichen Betriebszeit sind Anlagen aus dem einen oder anderen genannten Grund nicht in Betrieb. Andersherum laufen Windkraftanlagen also rund 95 Prozent ihrer Betriebszeiten.

    Bei welchen Wetterbedingungen muss eine Windkraftanlage abgeschaltet werden?

    Es klingt paradox, aber eine Ursache für die Abschaltung von Windkraftanlagen ist zu viel Wind. Denn bei einem Sturm könnte die Anlage beschädigt werden und wird deshalb angehalten. Das gilt auch bei Vereisung der Rotorblätter, denn dadurch kann die Windturbine bei einem Weiterbetrieb Schaden nehmen. Die Abschaltung geschieht bei modernen Anlagen vollautomatisch. Erst wenn die Windverhältnisse es wieder zulassen oder das Eis komplett abgetaut ist, gehen sie – ebenfalls automatisch – wieder in Betrieb.

    Warum werden Windkraftanlagen abgeschaltet, wenn sie zu viel Strom produzieren?

    Es sind nicht allein die Windkraftanlagen, die zu viel Strom produzieren. Vielmehr erzeugt zu bestimmten Zeiten die Gesamtheit der Kraftwerke mehr Strom, als die Stromnetze aufnehmen und verteilen können. Das hängt damit zusammen, dass die derzeitige Netzinfrastruktur mit der theoretisch produzierbaren Menge an Strom nicht mithalten kann. Es fehlen Leitungen, aber auch Trafo-Stationen und Umspannwerke. Im Falle einer Überproduktion von Strom werden Windkraftanlagen als erstes abgeschaltet – man spricht auch von Abregeln der Strommengen –, weil sie im Vergleich zu herkömmlichen Kraftwerken schneller runter- und wieder hochgefahren werden können. Ein anderer Grund dafür ist der, dass Windkraftanlagen häufig in weniger dicht besiedelten Gegenden stehen. Dort ist aber zugleich der Stromverbrauch geringer als zum Beispiel in Großstädten. Eine Überproduktion kann hier also nicht so leicht von den lokalen und regionalen Abnehmern kompensiert werden. Im Jahr 2022 waren von der Abregelung 7,2 Terawattstunden Windstrom betroffen. Das klingt erst einmal viel, es sind aber „nur“ etwa 5 Prozent der gesamten Erzeugungsmenge.

    Wieso kann es sich manchmal mehr lohnen, eine Windkraftanlage abzuschalten statt laufen zu lassen?

    Etwa ein Viertel des insgesamt produzierten Stroms wird an der Strombörse EEX in Leipzig gehandelt. Der Preis des dort gehandelten Stroms richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Das heißt, wenn sehr viel mehr Strom erzeugt als verbraucht wird, kann der Preis sogar ins Minus rutschen. Stromerzeuger müssen also dafür bezahlen, wenn ihnen ein Kunde Strom abnimmt. Davon können auch Betreiber von Windkraftanlagen betroffen sein. Sie schalten dann Anlagen oder einzelne Windkraftanlagen ab, um keine Verluste zu erleiden – und um die verfügbare Strommenge zu reduzieren.

    Wann wird der Betrieb von Windkraftanlagen eingeschränkt?

    Je nach Standort gibt es Vorschriften über die Betriebszeiten einer Windkraftanlage. Um Anwohner vor Lärm zu schützen, stehen die Anlagen nachts oft still oder werden reduziert betrieben. Der Stand der Sonne kann ebenfalls eine Rolle spielen, wenn er dazu führt, dass die Schatten der sich bewegenden Rotorblätter auf die Grundstücke von Anwohnern fallen. Aber auch für den Vogelschutz werden Windkraftanlagen abgeschaltet. Das gilt zum Beispiel für Windkraftanlagen in der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen. Wenn Landwirte zum Beispiel einen Acker pflügen oder eine Wiese mähen, ist der Anlagenbetreiber verpflichtet, die Rotoren eine Zeitlang anzuhalten. Der Grund: Fast immer sind dann dort Vögel vermehrt auf Nahrungssuche.

    Wie viele Windkraftanlagen zusätzlich werden für den Ausbau der Windenergie eigentlich gebraucht? Und was bedeutet RePowering?

    Um die Klimaziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen, müssten bis dahin pro Jahr täglich mindestens vier bis fünf Windkraftanlagen errichtet werden, also annähernd 2.000 pro Jahr. Ein vielversprechender Weg, die Stromerzeugung durch Windenergie schnell auszubauen, ist aber auch das sogenannte Repowering. Beim Repowering werden in die Jahre gekommene, technologisch überholte Anlagen an ihrem jeweiligen Standort komplett durch moderne Anlagen ersetzt. Vorteil: Moderne Windkraftanlagen sind weitaus leistungsstärker und effizienter als ihre Vorgänger. Das heißt: Auf der gleichen Fläche kann mit weniger Anlagen mehr Strom erzeugt werden. Ein weiteres Plus: Dank angepasster Regelungen auf bundes- und EU-Ebene können Betreiber, anders als bei einem neuen, bislang nicht für Windkraftanlagen genutzten Standort, bei bereits bestehenden Standorten ein verkürztes Planungs- und Genehmigungsverfahren durchlaufen. So beschleunigt das Repowering die Energiewende.

    (Quellen: Alterric, statista.com, strom-report.de)

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